Ein weißer Changan Deepal S07 parkt auf einer Wiese.

Fahrbericht: Changan Deepal S07 – Gestikulieren statt Schalter bedienen

3 min

14.04.2025Gundel Jacobi

Seit vielen Jahren in aller Stille ein Designzentrum in Turin, seit anderthalb Jahren den langjährigen deutschen VW-Chefdesigner als maßgebenden Gestalter – nun will der chinesische Autohersteller Changan in Deutschland und Europa aus dem Schatten treten. Den Anfang macht der Deepal S07.

 

Changan ist nicht der erste und definitiv nicht der letzte chinesische Autohersteller, der mit großen Plänen den europäischen Markt für sich einnehmen möchte. In jedem Fall will er schon frühzeitig auf seinen hiesigen Marktstart aufmerksam machen. Das erste Modell Deepal S07 soll im Herbst 2025 erhältlich sein. 

Mit 41 Jahren stellt Changan ein vergleichsweise traditionsreiches Unternehmen im Auto-Reich der Mitte dar. Abgesehen davon, dass der chinesische Autohersteller schon lange ein großes Designzentrum in Turin unterhält, lässt der Name des Changan-Vizepräsidenten und -Chefdesigners aufhorchen: Klaus Zyciora (Interview am Ende des Artikels). Bis zu seinem Wechsel vor zwei Jahren verantwortete Zyciora das Design von Volkswagen, die ganze Palette von Golf bis zur ID-Familie. 

Interview mit Klaus Zyciora lesen

 

Changan: der chinesische Autohersteller mit drei Submarken

Mittlerweile pirscht er sich mit enormem Rückhalt aus dem Fernen Osten an die weltweite Mobilität der Zukunft heran. Klaus Zyciora wird sich mit seinem Team vielschichtig entfalten können, denn Changan mischt mit drei Submarken im Autozirkus mit. Deepal widmet sich komplett batterieelektrischen Modellen. Unter dem Namen Changan alleine darf es gemixter zugehen – ebenfalls in Bezug auf Karosserieformen. Avatr schließlich bildet das Spitzenangebot ab – auch preislich. 

Auf den Europa-Erstling Changan Deepal S07 durften wir nicht nur einen Blick werfen sowie darin eine Sitzprobe machen. Mit ihm absolvierten wir eine ausgiebige Tour nebst persönlichem Begleiter. 

Cockpit des Changan Deepal S07 mit Touchscreen.
Im Cockpit des Changan Deepal S07 dominiert ein 15,6 Zoll großer Touchscreen. Foto: Changan

Changan Deepal S07 mit eigenwilligem Bedienkonzept

Anfängliche Gedanken, es könnte sich um einen Bewacher handeln, zerstreuten sich rasch. Man würde ihn sich auch für künftige Kunden des Changan Deepal S07 wünschen. Denn das Cockpit ist bis auf ein paar Steuerungstasten am Lenkrad schalterfrei, und das angepriesene intuitive Bedienungskonzept auf dem zweifellos raumgreifenden Bildschirm (15,6 Zoll) bedarf ausgiebiger Erläuterungen, um sich zurechtzufinden. Selbst der gut informierte Beisitzer tippt und wischt mehrfach irritiert auf dem Monitor. 

Das Einfachste ist der Motorstart. Nach dem Platznehmen ist der Wagen sofort bereit zum Losfahren, sobald man den Automatik-Stockhebel am Lenkrad auf D gesetzt hat. Das ist gewissermaßen die letzte traditionelle Bedienung in der chinesischen Schaltzentrale auf Rädern; selbst die elektrischen Fensterheber im Deepal S07 sind zum Öffnen und Schließen andersherum zu bewegen als im Alten Europa üblich. Zum Einstellen der Außenspiegel muss man ins Bildschirm-Menü – die Steuerungstasten am Lenkrad bringen sie in die gewünschte Position. 

Phantasievoll ist obendrein die Gestensteuerung zum Beispiel fürs Stummschalten des Radios: Wie im richtigen Leben legt man den Zeigefinger hochkant vor die Lippen. Der Surfergruß (Faust mit ausgestrecktem kleinem Finger und Daumen) hingegen dient dazu, einen Telefonanruf anzunehmen.

Changan Deepal S07 parkt vor Häusern in der Innenstadt.
Der Deepal S07 wird das erste Modell des chinesischen Autoherstellers Changan in Deutschland sein. Foto: Changan

Changan Deepal S07 verzichtet auf gängige E-Auto-Fahrfunktion  

Leise surrend geht’s los. Der 160 kW/217 PS starke Elektromotor im Heck kommt spielend leicht mit dem Changan Deepal S07 zurecht. Das Fahrwerk zeigt einen ausgewogen abgestimmten Kompromiss zwischen Straffheit und Komfort. Schnell hat man sich auch an die fehlenden Instrumente vor dem Steuer gewöhnt. Infos wie Geschwindigkeit und Navi kommen vom gestochen scharfen Head-up-Display in der Windschutzscheibe. Seltsamerweise ist die Verkehrszeichenerkennung jedoch nur auf dem Monitor einsehbar. Assistenzsysteme gibt’s natürlich in Hülle und Fülle. Positiv fiel uns der vernünftig agierende Spurhalter auf, der nicht ruppig, sondern sanft eingriff. 

Leider lässt sich die stufenlos einzustellende Energierückgewinnung ebenfalls nur am Bildschirm betätigen; da wären Wippen praktischer. Und: Warum der feine Ein-Pedal-Modus bei E-Autos, also Gasfuß lupfen bis zum Stillstand, im Changan Deepal S07 nicht verfügbar ist, weiß niemand. 

Changan Deepal S07 stellt spielerische Effekte vor Ladeleistung

Unsere Testfahrt war nicht lang genug, um die verlautbarten 475 Kilometer Reichweite zu überprüfen. Ein gutes Viertel davon nahmen wir in Anspruch, bei insgesamt gemäßigter Fahrweise und einem angezeigten Stromverbrauch von 23 kWh. In der Theorie sollen es laut WLTP-Mix 18,6 kWh sein. Wenn wir an einen Schnelllader hätten andocken müssen, hätte der Deepal S07 laut Hersteller von 30 bis 80 Prozent in 35 Minuten fertig sein sollen – mit einer Ladeleistung von 93 kW nicht rekordverdächtig.

Der Changan Deepal S07 in seinem Wettbewerbsumfeld

Das im Turiner Designstudio solide gezeichnete Mittelklasse-SUV Changan Deepal S07 wird es mit Abstrichen mit Wettbewerbern wie Kia EV6, Skoda Enyaq oder Tesla Model Y aufnehmen können. Preislich gelingt das ab 45.000 Euro allemal. Platz-, komfort- und technoverwöhnte Spielernaturen sind jedenfalls in der chinesischen Karosse gut aufgehoben. Bis hin zum Licht- und Musikorgel-Zapfenstreich beim Abschied, sofern es die Nachbarschaft ebenfalls genießen möchte.  
  

Portait der Autorin Gundel Jacobi.

Gundel Jacobi

hält das chinesische Elektro-SUV für bemerkenswert – vor allem als rollende Spielekonsole. 
Der Nickerchen-Modus mit knisterndem Lagerfeuer entspannt langanhaltend.  


Technische Daten Changan Deepal S07

MotorElektro: 160 kW/217 PS, 320 Nm
Normverbrauch18,6 kWh, 0 g CO2/km (WLTP)
L x B x H4,75 x 1,93/k. A. x 1,63 m
Kofferraum445–1.385 l 
Zuladung417 kg
Anhängelast1.500 kg
Stützlast75 kg
Akku-Kapazität80 kWh
Reichweite475 km
Preis ab45.000 €

Fünf Fragen an Klaus Zyciora, Vizepräsident und Chefdesigner Chongqing Changan Automobile

Porträtbild von Klaus Zyciora von Chongqing Changan Automobile.
Foto: Changan

ARCD: Seit Oktober 2023 sind Sie verantwortlich für das weltweite Changan-Design. Ist bei den ersten Autos, die Sie nach Deutschland bringen, schon Ihr Einfluss spürbar?

Klaus Zyciora: „Das erste Modell, das in Deutschland erhältlich sein wird, ist das kompakte SUV Deepal S07. Es wurde in unserem Design-Zentrum in Turin (Italien) entworfen und in Chongqing (China) in Zusammenarbeit mit unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Birmingham (Großbritannien) entwickelt. Seitdem ich bei Changan bin, führe ich den Aufbau der Marke auf übergeordneter Ebene zusammen, um die weltweite Markenbildung und die Differenzierung strategisch zu begleiten.“
 

ARCD: Chinesische Autos in Deutschland gelten mit wenigen Ausnahmen als namen- und gesichtslos. Wie wollen Sie diese Hürde nehmen und womit auf sich aufmerksam machen?

Zyciora: „Bei Changan vereinen wir genau aus diesem Grund das Beste aus zwei Welten: Wir glauben, dass die Kombination von europäischem Design mit chinesischer Technologie einen großen Unterschied machen wird, mit der wir uns vom Wettbewerb unterscheiden können.“
 

ARCD: Ihr Modellprogramm in China umfasst Verbrennungsmotoren, Hybride und vollelektrische Antriebe. Welche kommen zuerst nach Europa und warum?

Zyciora: „Nach dem vollelektrischen Deepal S07 bringen wir den etwas kompakteren, ebenfalls vollelektrischen Deepal S05. Darüber hinaus passen wir uns den unterschiedlichen Kundenbedürfnissen in Europa an und werden nächstes Jahr auch Hybrid- und Plug-in-Antriebe anbieten. Reine Verbrenner sind für uns allerdings kein Thema in Europa – wir glauben an den E-Antrieb.“
 

ARCD: Einige Neuankömmlinge haben es mit geringem Erfolg mit Online-Vertrieb und Service durch bestehende Reparaturketten versucht. Was sind Ihre Pläne?

Zyciora: „Bei Changan setzen wir in den Ländern mit eigenen Vertriebsgesellschaften wie Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden auf ein professionelles Händlernetzwerk. Darüber hinaus befindet sich in den Niederlanden ein Teilelager im Aufbau, und wir haben eine Absichtserklärung mit der Spedition Kühne und Nagel unterzeichnet, um eine reibungslose Lieferlogistik sicherzustellen. Grundsätzlich legen wir auf eine sorgfältige Vorbereitung Wert.“
 

ARCD: Ist zur Umgehung von Strafzöllen ein Werk in Europa geplant? Ford schließt demnächst eins im Saarland mit einer qualifizierten Belegschaft.

Zyciora: „Wir verfolgen bei Changan den Ansatz ,In Europa, für Europa‘. Den Grundstein haben wir vor über zwanzig Jahren mit der Gründung des ersten europäischen Design-Centers in Italien gelegt. Derzeit planen wir weitere Investitionen in lokale Forschung, Entwicklung und Produktion. Dazu gehört auch unser Vorhaben, bis 2030 Fahrzeuge in Europa zu produzieren. Wo und wie das genau passieren wird, kann ich allerdings noch nicht sagen.“

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