Nachhaltiges Friesland: Zwischen Deichen, Wasser und innovativen Ideen gegen den Klimawandel
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Friesland in den Niederlanden ist geprägt von weiten Wasserflächen, Deichen und grünen Wiesen – und steht damit besonders im Brennpunkt der Folgen des Klimawandels. Doch anstatt sich ihrem Schicksal zu ergeben, setzen die Menschen vor Ort auf innovative Projekte für mehr Nachhaltigkeit. So wird die äußerst dünn besiedelte Provinz zunehmend zu einem Vorbild für andere Regionen in Europa.
Friesland, die Provinz im Norden der Niederlande, liegt eingebettet zwischen Nordsee, Ijssel- und Wattenmeer. Rund 1.300 Kilometer Flüsse und Kanäle durchströmen das dünn besiedelte Land, das Touristen mit Segeltörns, Hausbootfahrten und weiten Sandstränden anzieht. Doch wo Besucher Erholung finden, lauern für die Einheimischen zunehmend Herausforderungen: Steigende Meeresspiegel und heftigere Sturmfluten bedrohen Küsten und Deiche – und machen enorme Investitionen in den Schutz von Menschen und Natur notwendig. In den vergangenen Jahrzehnten wurden Deiche und Hochwasserschutzwerke mehrfach erhöht; heute bilden sie einen bis zu acht Meter hohen Schutzwall um die besonders gefährdeten Landstriche.
Erderwärmung bedroht traditionsreiche Elfstedentocht
Auch das kulturelle Erbe leidet unter der Erderwärmung: Die Elfstedentocht, erstmals am 2. Januar 1909 ausgetragen, ist ein rund 200 Kilometer langer Eislauf über zugefrorene Kanäle durch elf friesische Städte. 1997 fand das bislang letzte Event statt, die Eisdecken sind schlicht zu dünn geworden, um bis zu 17.000 Teilnehmer sicher zu tragen. Anstatt die Tradition aufzugeben, verlagern die Friesen ihre Leidenschaft heute in moderne Eishallen. Dort sorgen Technik und nachhaltige Konzepte dafür, dass das Wintervergnügen ganzjährig möglich bleibt.
Natürliches Salzsolegemisch kühlt Eisstadion nachhaltig
So wie in der Thialf-Eisarena in Heerenveen, der weltweit schnellsten Eisbahn auf Meereshöhe. Das 1967 eröffnete Trainingszentrum wurde zuletzt 2024 umfassend modernisiert. Besonders stolz sind die Betreiber auf eine moderne Kälteanlage für die Eisherstellung. Statt des klimaschädlichen Kältemittels R507 kommt nun ein natürliches Salzsolegemisch zum Einsatz. Damit lassen sich die verschiedenen Bereiche der 11.000 Quadratmeter großen Eisfläche präzise temperieren, wodurch nicht nur perfekte Bedingungen für Rekorde entstehen, sondern auch der Energieverbrauch um mehr als die Hälfte sinkt.
Bootsbau aus recycelten Kunststoffresten
Wasser und Nachhaltigkeit spielte auch für Marieke de Boer eine Schlüsselrolle, als sie zusammen mit ihrem Mann 2020 ihr Bootsbauunternehmen Impacd-Boats gründete. Der Familienbetrieb in Woudsend fertigt die Rümpfe seiner sechs Meter langen Elektroboote im 3D-Druckverfahren in einem Stück. Etwa 60 Stunden benötigt der Drucker für einen Rumpf, dessen Wände rund einen Zentimeter stark sind. Gefüttert wird die Maschine mit Kunststoffabfällen – ein Novum in Europa. Genau genommen handelt es sich um geschreddertes Polypropylen und Polyethylen aus Haushaltsabfällen.
Umweltschädlicher Antifouling-Schutzanstrich entfällt
Als wäre das nicht schon nachhaltig genug, ist das Material der Recycling-Boote salzwasserresistent und kommt ohne umweltschädlichen Antifouling-Anstrich aus. Dieser Schutzanstrich, der bei herkömmlichen Booten regelmäßig erneuert werden muss, soll normalerweise den Bewuchs durch Algen und Muscheln verhindern. Rund 48.000 Euro kostet ein Sechs-Meter-Boot, auslieferungsfertig, in verschiedenen Farben, samt schicker Innenausstattung und leisem Mercury-Elektromotor. Da das Geschäft brummt, will Impacd sein Portfolio bald um ein neun Meter langes Recycling-Boot erweitern. Bis zu 100 Exemplare sollen jährlich vom Stapel laufen.
Große Ziele: Friesland will nachhaltigste Region Europas werden
Der innovative Bootsbauer ist aber nur eines von vielen Beispielen: Etliche Unternehmen in der Region setzen auf Ideenreichtum und Nachhaltigkeit. Rund 180 von ihnen haben sich deshalb in der Initiative Circulair Friesland zusammengeschlossen – mit dem Ziel, die Provinz bis zum Jahr 2050 zur nachhaltigsten Region Europas zu machen.
Dichtes Netz aus ÖPNV und Ladeinfrastruktur
Auch der Verkehr ist gut organisiert: In den Niederlanden – und damit auch in Friesland – verbindet ein dichtes Netz aus Zügen und Bussen Städte und kleinere Orte. Urlauber mit mindestens einer Übernachtung fahren mit der „Frieslandcard“ einen ganzen Tag lang kostenlos Zug und Bus. E-Auto-Reisende profitieren von der europaweit dichtesten Ladeinfrastruktur: Mehr als 200.000 Stationen stehen bereit, Schnelllader sind im 60-Kilometer-Abstand entlang der Autobahnen zu finden – sogar ländliche Regionen und die Watteninseln sind erschlossen. Noch sind nicht alle Stationen überdacht – so wie beim niederländischen Anbieter Fastned, dessen gelbe Solardächer schon von Weitem auffallen. Rund 180 Schnellladestationen hat Fastned im ganzen Land, meist in Autobahnnähe. Die Dachmodule liefern dabei Strom für Beleuchtung und Kühlung der Stationen.
Lebensmaxime als Vorbild für andere Länder
Am Ende unserer Reise zeigt sich, wie eng Tradition und Zukunft in dem kleinen Landstrich zwischen Kanälen, Deichen und Meer miteinander verwoben sind. Statt Zeit mit Schuldzuweisungen für die Klimawandelfolgen zu vergeuden, arbeiten die Menschen hier unermüdlich daran, ihre Heimat mit Mut, Kreativität und nachhaltigen Ideen zu bewahren. Auch wir waren mit den uns zur Verfügung gestellten E-Autos von Polestar ein kleines Stück Teil dieser Haltung: leise, effizient und fast schwebend reisten wir zu den Stationen unserer Tour – wie einst die Schlittschuhläufer der Elfstedentocht. Friesland beweist, dass sich Bewahren und Erneuern nicht ausschließen müssen – eine faszinierende, ansteckende Lebensart, von der sich andere Länder Europas eine dicke Scheibe abschneiden können.
„Mich erinnern die Friesen an Asterix – doch statt gegen die Römer leisten die Einwohner dem Klimawandel Widerstand.“
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