E-Mobilität: Sollte man E-Autos leasen oder kaufen?
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Die meisten Elektrofahrzeuge werden fremdfinanziert oder geleast. Ein Experte erläutert die Vorteile der zeitlich begrenzten Nutzung für Privatkunden – und weshalb das den Herstellern in die Karten spielt.
Immer mehr Elektroautos kommen auf den deutschen Markt. Während die Auswahl vor einigen Jahren noch gering war, bieten heute fast alle Autohersteller Modelle in verschiedenen Klassen an. Selbst wenn die Verkaufszahlen noch hinter den Erwartungen von Politik und Autoindustrie zurückbleiben, ziehen immer mehr Autofahrer den Umstieg auf ein Elektroauto in Betracht.
Barkauf wird beim E-Auto-Kauf unattraktiver
Neben den Aspekten Reichweite, Akkukapazität und Ladeinfrastruktur stehen die beiden Kriterien Kosten und Finanzierung ganz oben auf dem Fragenkatalog unserer Mitglieder. Steigende Neuwagenpreise belasten Haushaltsbudgets und machen den Barkauf für viele Privatkunden unattraktiv. Laut der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) finanzierte die Mehrheit der Autokäufer im Jahr 2024 ihr Fahrzeug per Kredit (41 %). Auf Platz zwei folgt Leasing (24 %), knapp dahinter der Barkauf (23 %). Doch das Interesse am Leasing, einer Form der Langzeitmiete, wächst. Das hat nicht nur mit den Nutzern, sondern auch mit den Automobilherstellern selbst zu tun.
Wichtige Checkpunkte beim Kauf von E-Autos
Kosten
E-Autos sind in der Anschaffung teurer als vergleichbare Verbrenner, dafür aber günstiger im Betrieb und in der Wartung. Der Zustand des Hochvoltakkus (State of Health, SoH) spielt eine entscheidende Rolle beim Wertverlust: Ein guter SoH kann den Wiederverkaufswert pro Prozentpunkt um mehrere hundert Euro steigern.
Akkukapazität
Die Akkukapazität sollte zum Fahrprofil passen: Für Kurzstrecken genügt ein kleiner Akku. Wer regelmäßig lange Strecken fährt, profitiert von einem größeren Akku – muss aber höhere Kosten und mehr Gewicht in Kauf nehmen.
Schnellladeanschluss
Fahrzeuge mit Schnellladeanschluss sind wertstabiler. In Europa hat sich der CCS-Stecker als Standard durchgesetzt, sodass sich Akkus unterwegs an Schnellladesäulen zügig laden lassen.
Ladeleistung
Entscheidend für die Ladezeit ist nicht die kurzzeitig erreichte Maximalleistung, sondern die durchschnittliche Ladeleistung: Je höher sie ist, desto schneller lädt das Fahrzeug.
Ladezeit
Wer an öffentlichen AC-Ladestationen lädt, sollte auf eine hohe Leistung des Onboard-Chargers achten, um innerhalb der zulässigen Parkdauer möglichst viel Strom nachzuladen. 11 kW reichen dafür oft nicht aus.
Verbrauch
Der Energieverbrauch steigt durch hohes Gewicht, starkes Beschleunigen, hohe Geschwindigkeiten auf der Autobahn sowie den Einsatz von Klimaanlage und Heizung – besonders bei kalten Wintertemperaturen.
Reichweite
Mit einer Akku-Kapazität von 40 bis 100 kWh sind Reichweiten von 200 bis 500 Kilometern möglich. Doch ein Teil der Energie fließt in Nebenverbraucher: Im Sommer werden rund 20 Prozent für die Kühlung aufgewendet, im Winter bis zu 40 Prozent für die Heizung. Das sollten Käufer einkalkulieren.
Leasing ermöglicht unkomplizierte Fahrzeugwechsel
Gerade bei Elektroautos gibt es aus Kundensicht gute Gründe fürs Leasing: Man kann eine neue Technik ausprobieren, ohne sich langfristig an sie zu binden. Das gilt besonders für Modelle von unbekannteren Herstellern, deren langfristige Marktpräsenz ungewiss ist. Dank der schnellen Fortschritte hinsichtlich Reichweiten und Ladeleistung können Leasingkunden nach Vertragsende unkompliziert auf ein neues Modell wechseln – ohne sich mit veralteter Technik abfinden zu müssen. Sorgen um den Wertverlust oder die Batterielebensdauer müssen sie sich dabei nicht machen – das Restwertrisiko liegt beim Leasinggeber.
Batterieschäden können bei der Rückgabe für Kunden teuer werden
Schon bei Vertragsabschluss aber sollte der Leasingnehmer an die spätere Rückgabe der E-Autos denken. Neben den üblichen Unwägbarkeiten bei Zustand und Gebrauchsspuren gilt es auf Beschädigungen zu achten, wie Martin Weiss, Leiter der DAT-Marktbeobachtung sagt: „Viele Hersteller erklären bei Dellen am Unterboden im Raum des Akkupacks, dass die Hochvoltbatterie getauscht werden muss.“ Diese Kosten sind nicht zu unterschätzen, sie können leicht den Preis eines Kleinwagens übersteigen und gehen zulasten des Nutzers! Die nachlassende Batteriekapazität spiele dagegen noch keine Rolle bei der Rückgabe. „Das müsste in den Leasingverträgen verankert sein, damit der Leasinggeber überhaupt dazu eine Rechtsgrundlage hat“, sagt Weiss.
Hohe Rabatte bei E-Autos belasten Image der Wertbeständigkeit
Das wachsende Interesse am Leasing von Elektroautos kommt auch den Herstellern zugute – wenn auch aus anderen Gründen. „Manche Autohersteller haben während der Chipkrise ein wenig zu stark an der Preisschraube gedreht, weil sie dachten, dass die Elektromobilität gleich losfliegt und man mit ihr hohe Preise erzielen kann“, sagt Weiss. Nach dem Wegfall der Umweltprämien traf das nachlassende Kundeninteresse die Hersteller dann aber unerwartet hart. Um die vollen Fahrzeuglager zu leeren, waren hohe Rabatte und günstige Leasingkonditionen nötig. Rabatte schaden aber dem Image der Wertbeständigkeit – eine Sorge, die nicht nur Premiumhersteller umtreibt.
Subventionierte Leasingraten sollen E-Auto-Absatz ankurbeln
Die Lösung: „Um niedrige Leasingraten anbieten zu können, nutzen die Hersteller mit ihren eigenen Banken niedrige Zinsen und kalkulieren hohe Nachlässe sowie einen gestützten Restwert ein. Der Barnachlass ist für den Endkunden dabei nicht ersichtlich“, sagt Weiss.
Kürzere Leasingdauer von E-Autos belastet Hersteller finanziell
Während Verbrenner meist über 36 bis 48 Monate geleast werden, erfordern die Technologiesprünge von E-Autos oft kürzere Laufzeiten. „Elektroautos altern schneller. Will ein Kunde up to date bleiben und immer höhere Reichweiten, nimmt er ein kürzeres Leasing“, erklärt Weiss. 12 bis 24 Monate sind üblich. Was die Nutzer freut, belastet die Hersteller – denn im Vergleich zu Verbrennern fällt der Wertverlust von E-Autos überproportional hoch aus. Autohersteller und Handel könnten den Wertverlust nur abfedern, wenn sie die Leasinglaufzeiten verlängerten, meint Weiss. Je länger ein Fahrzeug im Leasing-Zyklus verbleibe, desto später lande es auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Und dort gerät es mit der Zeit oft außerhalb des Einflussbereichs der Markenwerkstätten.
Leasing von gebrauchten E-Autos noch unbeliebt
Apropos Gebrauchtwagen: Hohe Nachlässe auf dem Neuwagenmarkt haben Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenmarkt. „Je näher ein Neufahrzeug vom Wert an den Gebrauchten herankommt, desto eher lässt der Wert für diesen nach, was dem Markt nachhaltig schaden kann.“
Um Gebrauchte länger im Zugriffsbereich der Hersteller zu halten, versuchen sich diese im Verleasen der Altwagen – bislang aber nur mit mäßigem Erfolg. Das Problem: „Beim Gebraucht-Leasing funktioniert der Business Case noch nicht, weil die Leasingrate mindestens 30 Prozent unter der des Neuwagens liegen müsste. Das geht sich aber mit den Restwerten nicht aus“, sagt Weiss.
Händler lehnen Ankauf von gebrauchten E-Autos oft ab
Und die schlechten Nachrichten reißen nicht ab. Laut einer Umfrage von Vogel Research aus Würzburg nehmen mehr als zwei Drittel der Autohändler keine gebrauchten E-Autos mehr in Zahlung. „Wenn der Händler am Gebrauchtwagen was verdienen will, muss er eine verlängerte Standzeit und größeren Beratungsaufwand einkalkulieren. Somit bleibt ihm nur, den Wagen günstig einzukaufen oder den Ankauf abzulehnen“, sagt Weiss. Oft stehen sich gebrauchte E-Fahrzeuge hunderte Tage lang die Reifen im Autohandel platt. Dem DAT-Experten zufolge sind viele Händler daher bereit, gebrauchte E-Autos mit höheren Nachlässen zu verkaufen, um sie wieder loszuwerden.
Staatliche Umweltprämien für E-Autos könnten Kosten wieder steigen lassen
Staatliche Umweltprämien zur Förderung des Neuwagenabsatzes lehnt Weiss aber ab. „Mit Förderungen lässt sich der Markt nicht nachhaltig ankurbeln.“ Es schade mehr, als dass es helfe. „So fördern Umweltprämien zwar den Hochlauf der Elektromobilität, haben aber negative Effekte auf die Restwerte. Gehen diese runter, steigen die Leasingraten, was wiederum Auswirkungen auf den Neufahrzeugabsatz hat.“
DAT fordert transparente Ladetarife
Der DAT-Marktbeobachter sieht den Schlüssel zur Förderung der E-Mobilität nicht im Fahrzeug selbst, sondern in der Energieversorgung. Undurchsichtige Tarife der öffentlichen Ladeinfrastruktur erschwerten bislang die Attraktivität von E-Autos auf längeren Strecken. „Der Kunde muss es einfach haben, Kabel einstecken, wissen, dass es 25 Cent kostet, Punkt“, mahnt Weiss. Dafür wäre seiner Meinung nach eine Strompreisdeckelung notwendig. Ob sich diese aber mit der neuen Bundesregierung umsetzen lässt, ist ungewiss.
Neuwagen-Leasing wirtschaftlich attraktiver als Kauf
Fazit: Wer absehbar sorgenfrei E-Auto fahren will, für den führt am Neuwagen-Leasing derzeit kaum ein Weg vorbei. Eigentum hat dagegen seinen Preis: Hoher Wertverlust, eine schnelle technische Überalterung und ein schwieriger Wiederverkauf machen den Kauf eines neuen oder gebrauchten Elektroautos unattraktiv.
Wolfgang Sievernich
hat seine Meinung zum Leasing während der Recherche geändert –
denn Eigentum kann auch teuer werden.
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