Automatische Fahrradschaltung im Vergleich: Komfort und Effizienz auf dem Bike
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Sie heißen Auto.Shift, eShift oder Q’Auto – Systeme verschiedener Hersteller, die eines eint: Sie ermöglichen automatische Gangwechsel am Fahrrad. Lohnt das, oder kann das weg?
Zirp, zirp ... zirp. Das Geräusch, das die Motor-Getriebe-Einheit (MGU) von Pinion bei jedem Auto.Shift-Gangwechsel macht, ist ungewohnt. Ebenfalls zunächst befremdlich sind die Arbeitsgeräusche der E.A.S.I. A12 mit eShift, von Bosch in Zusammenarbeit mit TRP entwickelt. Und wenn die Automatiken dann unter Last schalten, kracht es teils laut in den technischen Innereien. Geht da was kaputt? Nein, sagen die Hersteller.
Beim Pkw hat die Automatik das manuelle Schalten in höheren Fahrzeugklassen nahezu verdrängt. Stichwort: Komfortgewinn, mehr Effizienz. Beim Fahrrad stehen wir erst am Anfang. Aber was bringen Automatikschaltungen am Bike? Lohnt der teils saftige Aufpreis?
Industrie arbeitet bereits seit Längerem an der Automatik fürs Fahrrad
Nicht erst seit gestern tüftelt die Fahrradindustrie an der automatischen Gangschaltung. Die erste kam bereits 2011 auf den Markt, doch die Sram-Nabe Automatix hatte nur zwei Gänge. 2020 debütierte die stufenlose Enviolo Automatiq. Teilautomatisierte Nabenschaltungen kamen hinzu, etwa von Rohloff. Doch dass sich eine Fülle von zwölf Gängen vollautomatisch sortiert, ist eine junge Entwicklung.
Groß ist der Fortschritt bei Kettenschaltungen. Um zu schalten, muss die Kette die Zahnräder wechseln. Dazu muss sie laufen, der Zahnkranz sich drehen. Was aber, wenn der Radler bremst, Pedale und Kette ruhen? Das Problem, das die im Stand schaltbaren Nabenschaltungen nicht haben, galt bei Kettenschaltungen lange Zeit als knifflig.
Shimano löste die Herausforderung mit der für E-Bikes konzipierten Deore XT Di2 Linkglide zum Modelljahr 2023, nahezu gleichzeitig kam die Eagle Powertrain mit Auto-Shift von Sram heraus. 2025 zog Bosch zusammen mit dem Entwicklungspartner Tektro nach und brachte seine erste vollautomatische Kettenschaltung an das E-MTB Macina Kapoho Master ABS von KTM, Kostenpunkt 7.399 Euro. In ähnlicher Preisliga spielt die Pinion-Lösung für Nabenschaltungen. Zu haben ist sie etwa am 8.399 Euro teuren Allrounder-Bike Delite5 GT Pinion von Riese & Müller oder am Kompaktrad P12 ZR von I:SY (Komplettpreis: 5.999 Euro).
Die Hersteller versprechen hohe Robustheit
Um vorherzusagen, wann der Fahrer schalten möchte, analysieren die Systeme Sensorsignale zu Geschwindigkeit, Trittfrequenz und „Fahrerdrehmoment an der Kurbel“, sagt Tamara Winograd von Bosch eBike Systems. Teils werten die Lösungen auch Neigungswinkel aus.
Ob bei Bosch oder Pinion – die Trittfrequenz spielt eine Sonderrolle, da sie der Fahrer selbst bestimmt: Stellt man zum Beispiel 70 Umdrehungen ein – über das Display am Bike oder eine App – halten die Systeme diese unabhängig vom Tempo durch Gangwechsel. Auf unseren Testfahrten klappt das ziemlich genau.
Beide Lösungen agieren bei hoher Pedalkraft jedoch laut, da knallt die Kette aufs nächste Ritzel, es kracht gewaltig in der MGU. Die Hersteller beschwichtigen, Komponenten wie Ritzel, Kette, Riemen oder Stirnradgetriebe seien auf die Belastungen ausgelegt. Ab einer gewissen Pedalkraft würden Gangwechsel gezielt unterdrückt, erklärt Winograd. Pinion versichert: Erst nach etwa 10.000 Kilometern falle bei der nahezu verschleißfreien MGU ein Ölwechsel durch einen Fachbetrieb an.
Wenn es sein muss, wird manuell geschaltet
Eine grundsätzliche Schwäche fällt bei den Testfahrten auf. Mit Anstiegen tun sich Pinion- und Bosch-Technik schwer. Weil sie nur reagieren, wechseln sie Gänge zu spät, die Schaltungen halten mit der Fahrdynamik nicht mit. Dann schaltet man doch wieder händisch – was die Systeme zulassen. Um das Schalten zu optimieren, sei aber denkbar, so Tamara Winograd von Bosch, dass künftig Daten zu Steigung, Untergrund und Fahrdynamik einflössen.
Aktuell kommen die Algorithmen mit sanften Anstiegen aber gut zurecht und spenden vor allem im Stop-and-Go des Stadtverkehrs einen nie da gewesenen Komfort. Technologisch beeindruckend ist dabei vor allem die Automatik der Bosch-Tektro-Kettenschaltung: Werden Gangwechsel notwendig, während man nicht tritt – beim Abbremsen an der Ampel oder dem Herabrollen an einem Hang – dreht der E-Bike-Motor das Kettenblatt weiter, während die Pedale dank eines Freilaufes ruhen können. Auch Shimanos Free-Shift-Lösung realisiert das Schalten unabhängig von der Kurbelarmbewegung.
Neue Technologie treibt Preise erst mal in die Höhe
Noch sind die Preise hoch, doch Bosch rechnet mit Skaleneffekten. Vollautomatisch schaltende E-Bikes würden in der Zukunft ab 3.000 Euro zu haben sein, auch bei Trekking- und Urban-Bikes. Auf die Zielgruppe der Alltagsradler und Pendler hat es auch Shimano mit einer neuen Automatik für Kettenschaltungen an nicht motorisierten Fahrrädern abgesehen (Q’Auto), die bereits heute günstigere Preise verspricht, weil die preistreibenden Komponenten eines E-Bikes wegfallen. So stellt nicht ein teurer Antriebs-Akku den Strom für die Gangwechsel bereit, sondern ein Nabendynamo. Nur: Ruhen die Pedale, kann das System nicht schalten.
Was alle Systeme eint: Sie sind effizienter als jedes manuelle Schalten – vor allem bei E-Bikes, da diese häufig besonders schaltfaul gefahren würden, was wiederum den E-Bike-Akku stark beanspruche, sagt Shimano-Sprecher Wild. So hat man neben dem Komfortgewinn noch einen weiteren praktischen Vorteil – als kleinen Trost angesichts der hohen Anschaffungskosten.
“Im Alltag oder auf Radreisen würde ich nur noch mit Automatik fahren – wenn Geld keine Rolle spielte. Den Komfort möchte ich nicht mehr missen. Fürs sportliche Radeln würde ich aber noch die technische Entwicklung abwarten.”
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