Mit dem Fiat 500e auf Langstrecke: Das hat ein ARCD-Mitglied erlebt
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ARCD-Mitglied Otto Henn wagt mit seiner Tochter Dr. Martina Henn-Sax eine Reise nach Frankreich im Fiat 500e. Doch wie meistert das E-Auto die Herausforderungen?
Immer wieder erreichen uns Zusendungen von ARCD-Mitgliedern, in denen sie ihre Erlebnisse in der Welt der Mobilität schildern. An dieser Stelle möchten wir unseren Clubmitgliedern eine Möglichkeit bieten, von ihren Erfahrungen zu berichten und andere Clubmitglieder daran teilhaben zu lassen. Otto Henn ist seit über 60 Jahren ARCD-Mitglied und hat mit seiner Tochter eine Reise im Fiat 500e von Göttingen nach Dunkerque, der nördlichsten Stadt Frankreichs, unternommen. Hier erzählt Dr. Martina Henn-Sax von ihrer etwa 625 Kilometer langen Tour mit dem E-Auto.
Der Fiat 500e hat eine Reichweite von 250 Kilometern, vorausgesetzt es ist warm und ich fahre im Sherpa-Modus. Meine Reise kalkuliere ich trotzdem mit 250 Kilometern Reichweite. Auf der Strecke von Göttingen nach Dunkerque wären drei Ladevorgänge nötig: Kein Problem, das Plus von dreimal 30 Minuten kann mit Kaffeestopps und Mittagspause gut getimed werden.
Der 500e ist über die heimische Fotovoltaik auf 100 Prozent geladen, als ich um 7.30 Uhr losfahre – in den Stau. Nach 25 Extraminuten hole ich meinen Vater (drei Kilometer Luftlinie) ab.
Der Plan: Maximal 130 km/h auf der Autobahn und in Erwitte (NRW) das erste Mal laden. „Chargemap“ hat das ermittelt. Ich schaffe es aber nicht bis nach Erwitte. Stau und Baustellen auf der A7 und A44 gestalten die Fahrt ungleichmäßig, die Batterie wird leergesaugt. Beschleunigen, Fenster vom Beschlagen retten – außerdem ist meine Blase ein bisschen im Stress. Ob es in Erwitte tatsächlich die versprochenen Kundentoiletten bei dm gibt? Ich will mich nicht darauf verlassen und fahre in Biggenkopf Nord (Diemelstadt) nach knapp 100 Kilometern zum ersten Mal zum Laden raus.
Laden über eine App
Schnell eine App installiert, die EON-RFID-Karte besitze ich noch nicht. 30 Minuten Ladezeit überbrücken wir bei einem gemütlichen Kaffee. Mit 89 Prozent Ladestatus geht es weiter. Duisburg ist das nächste Zwischenziel. Während mein Vater stolz erzählt, wie fit er mit seinen 85 noch ist, schwindet die Batterieleistung. Bei Unna sind wir bei 40 Prozent. Mir ist mulmig bei dem Gedanken, mit einer fast leeren Batterie durch das Ruhrgebiet zu fahren, wo Staus und unklare Ladesäulen-Situationen drohen.
Kurzentschlossen fahren wir bei Unna von der A44 ab. In Dortmund-Holzwickede gibt es eine Ladesäule. Jedoch zeigt sich, dass die Ladesäule innerhalb des Flughafens ist. Wir stehen mit 36 Prozent Batterieladung im Niemandsland – hier die Straße, dort ein Zaun, dahinter die vermeintliche Ladesäule… Warnblinkanlage an, Navi neu programmieren. Ganz in der Nähe, in Dortmund-Aplerbeck, werden vier Ladesäulen angezeigt, die wir über abenteuerliche Landstraßen anfahren. Wir finden die Säulen auf einem Firmengelände. Wahrscheinlich völlig widerrechtlich fahre ich auf das Gelände, in der Hoffnung, dort mein Auto laden zu können. Fehlanzeige. Vier Fahrzeuge belegen die Parkplätze mit den Säulen.
Wir suchen neu: Diesmal mit Google Maps, denn ich will kein drittes Mal im Lade-Nirwana landen. Wieder Baustellen und Umleitungen, aber nach wenigen Minuten erwarten uns sechs 300-kW-Ladesäulen der EnBW vor dem Baumarkt in Aplerbeck. Die RFID-Karte von EWEgo startet den Ladevorgang. Wir trinken schon wieder Kaffee, um die 26 Minuten Ladezeit zu überbrücken. Das Café ist angenehm warm und wir planen in der Wartezeit unsere weitere Reise.
Die Reiseminuten summieren sich auf: Unsere neuerliche Ladepause dauert gut anderthalb Stunden, zuvor waren wir circa 60 Minuten mit Suchen beschäftigt. Ruhrgebiet, wir kommen. Weitere Baustellen und Staus begleiten uns nach Duisburg (Aral Puls Ladesäule). Dort wartet mein Mann schon sehnsüchtig auf uns. Beruflich in Bonn unterwegs steigt er nun Richtung Frankreich zu. Und ja: Man bekommt drei Erwachsene und ihr Gepäck in den Fiat 500e. Wir laden noch mal nach, trinken Kaffee und wärmen uns in der Tankstelle.
Dreimal Laden bis zur Mitte
Knapp die Hälfte des Weges ist geschafft: Uns stehen noch 346,7 Kilometer bevor. Dank der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 bzw. 120 km/h in den Niederlanden und Belgien kommen wir batterieschonend voran. Wir wählen Arendonk (Belgien) für den nächsten Ladestopp und werden in ein neu angelegtes Industriegebiet geleitet. Die Ladesäule befindet sich malerisch an einem kleinen Wasserrückhaltebecken gegenüber gläsernen Büros. Das Kabel muss man hier selbst mitbringen. Kein Problem, wir haben alles dabei. Leider gibt es hier keine Toilette. Ich verfluche den Kaffee, während mein Mann sich damit vergnügt, den Ladevorgang zu starten. Ich bin mutig und frage im nächstbesten Gebäude auf Englisch nach der Toilette, was mit einem freundlichen „Yes, sure!“ beantwortet wird.
Wieder zurück, rollt mein Mann das Ladekabel auf: „Das ist nix, viel zu langsam! Nur 11 kW.“ Chargemap empfiehlt nur zwei Straßen weiter „Full Power, mit 200 kW“. Eine neue App und los geht es. Wir spazieren derweil durch das neu angelegte Industriegebiet. Überall E-Ladesäulen, fast alle in Nutzung. Es macht den Eindruck, die Mitarbeitenden würden morgens zu Arbeitsbeginn ihr Auto einstecken und nach getaner Arbeit mit vollen (Auto-)Batterien nach Hause fahren.
Der Feierabendstau in Antwerpen kostet uns 20 Minuten. Immerhin kommen wir voran. Langsam fahren schont die Batterie. Unruhig machen mich allerdings die durchgestrichenen E-Lade-Symbole an den Autobahnraststätten. Schnell wird klar: Die Belgier haben einheitliche Schilder installiert und die nicht vorhandene Option einfach überklebt.
Unsere nächste Ladeaktion ist auf der Raststätte Kalken (Autobahn E17) kurz vor Gent. Wir docken an eine der vier Ladesäulen an. Das Interface will eine RFID-Karte oder die TotalApp. Im Dunklen installieren wir die nächste App und starten den Ladevorgang. In der Raststätte essen wir leckere belgische Fritten und vertrödeln die Zeit. Am Auto erwartet uns dann eine böse Überraschung: Der Fiat hat nur wenige Prozent geladen. Es werden 59 statt der erwünschten 80 Prozent angezeigt. Was nun?
Schon müde von einem langen Tag zwischen Autobahn und Ladestation fluche ich laut. Aber das lädt die Batterie wider Erwarten nicht. Da die Station neben der #2, an der wir den Fiat ohne Erfolg geladen hatten, frei ist, probieren wir die #1 aus. Schon die Bildschirmführung ist anders. Alles geht viel schneller. App koppeln, einstecken, los geht es. Wir haben noch mal 30 Minuten Zeit. Ja, Sie ahnen es: Wir trinken mal wieder Kaffee. Ich jedenfalls. Mein Mann bleibt im Auto. Zur Sicherheit. Nach 27 weiteren Minuten und 81 Prozent fahren wir weiter. Die verbleibenden 122 Kilometer schaffen wir ohne weiteren Ladestopp, haben sogar noch 40 Kilometer übrig, als wir endlich um 20.40 Uhr auf dem Parkplatz Place Paul Assmann in Malo-les-Bains, dem Strandbad von Dunkerque, ankommen.
Nachladen mit Supercharger und gratis
Ein wunderschöner Strandspaziergang lässt uns den Stress der gestrigen Fahrt vergessen. Die Füße in die kühlen Fluten des Ärmelkanals wandern wir barfuß am unendlich erscheinenden Strand entlang. Das Auto brauchen wir hier nicht, es gibt ein Bussystem, das gratis genutzt werden kann. Und doch: Die Batterie braucht Futter. Dazu fahren wir nach Grande Synthe, dort – so Google Maps – gibt es 16 Ladestationen und einen Supermarkt. Die zwölf Kilometer zu den Tesla-Superchargern schaffen wir gut. Eine App wird nicht benötigt: Einfach die Girokarte ranhalten und los geht es. Nach einer Stunde in dem Auchan Supermarkt, der deutsche Vollsortimenter einfach in den Schatten stellt, ist der 500e 100 Prozent geladen.
Fahrten in die Umgebung und zur Filmkulisse von Christopher Nolans „Dunkirk“ reduzieren die Batterieladung auf 75 Prozent. Am nächsten Morgen bringen wir meinen Vater zum Bahnhof, wir bleiben. Im Bahnhofsparkhaus gibt es Ladesäulen, wiederum mit eigenem Kabel nutzbar. Das Parken ist für zwei Stunden frei, das Laden auch. Wir sind 100 Prozent begeistert!
Auf der Rückfahrt waren wir deutlich schneller. Abfahrt Dunkerque: 8 Uhr, Ankunft Göttingen: 18 Uhr. Gesamtfahrzeit für 625 Kilometer: zehn Stunden. Gesamtladezeit: 2,5 Stunden. Reine Fahrzeit 7,5 Stunden. Das lässt sich doch sehen.
Fazit:
- Würden wir es wieder tun? Ja, definitiv.
- Beim nächsten Mal ein bisschen mutiger die Kilometer ausreizen. Das Ladenetz ist gut, auch das der Schnell-Ladesäulen.
- Nur Google Maps als Navigationssoftware nutzen!
- Learning: Wenn eine Ladesäule „komisch“ agiert, sofort zur nächsten freien fahren. Auf der Rückfahrt waren sowohl in Belgien als auch in Deutschland Säulen nicht funktionsfähig.
- Was nervig ist: 1.000 Apps und RFID-Karten. Eine „Masterkarte“ wäre genial.
- Noch besser: mehr Kilometer Reichweite bzw. keine so starke Abhängigkeit von Außentemperatur etc. Aber gut, der Fiat 500e ist ein Kleinwagen, gebaut für die Innenstadt. Dafür ist er grandios. Auch auf der Langstrecke macht sich die E-Version des Kultautos hervorragend. Die Sitze sind superbequem, die Ausstattung top. Es ist eine Freude, dieses Auto zu fahren (und das kommt von einer passionierten Bahnfahrerin).
- Gesamtfazit: Lange Strecken fahre ich lieber mit der Bahn. Man kann so viel anderes tun als Autofahren in diesen Stunden. Wenn ich Auto fahre, dann brauche ich Pausen dazwischen. Ich war noch nie jemand, der 600 Kilometer in einem Rutsch durchfährt. Daher kommt mir die Ladepause ganz gelegen, ich brauche diese Pausen sowieso. Vielleicht nicht ganz so viele, wie wir mit dem Fiat einlegen mussten. Auf dem Rückweg meinte ich zu meinem Mann: „Irgendwie ganz tröstlich, dass das Auto mehr Ladepausen braucht, als ich Toilettenpausen bräuchte.“
Wenn schon ein umweltfreundliches Auto vorhanden ist, dann muss es auch für Fernreisen eingesetzt werden. Das war meine Ansage. Ein Brief der Stadt Dortmund sagt etwas anderes: Wir sind widerrechtlich durch die Umweltzone gefahren. Ich falle aus allen Wolken. Ja, auch ein hundertprozentiges E-Auto braucht die grüne Umweltplakette! Das nächste Projekt: Die Strecke der Mille Miglia steht 2025 an – inklusive Göttingen-Italien und zurück.
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